Im November und Dezember ging es in Stadtrat, Ausschüssen und den Ortsbeiräten um den Haushaltsplan für die Jahre 2015 / 16. Also eine Planung der Aufwendungen und Auszahlungen für die nahe Zukunft. Wie in manchen Unternehmen gibt es aber für Städte auch eine rückblickende Zeitpunktbetrachtung, also eine Art Bestandsaufnahme des Vermögens, seiner Veränderungen zum Vorjahr und einen Überblick über die Erträge und Aufwendungen ähnlich einer Gewinn- und Verlustrechnung sowie einer Art Kapitalflussrechnung („Gesamtfinanzrechnung“). Das ist spätestens seit der Einführung der sog. Doppik so. Ob das sinnvoll war und inwieweit – da gehen die Meinungen auseinander. Das muss uns jetzt aber nicht beschäftigen.
Das Leben wird nicht schlagartig schöner, wenn man sich mit der Thematik befasst, aber um ein adäquates Bild unserer Heimatstadt zu bekommen, sollte man das ruhig mal angehen. Zum Abspeichern unter C:/Eigene Dateien/irgendwannmalerledigen findet man den Jahresabschluss hier:
http://www.ludwigshafen.de/buergernah/rathaus/haushalt/jahresabschluss-2013/
Es folgt eine kleine „Tour d’Horizon“ durch das Werk, angelehnt an den Vortrag des Kämmerers und ausgeschmückt mit diversen Verweisen:
Eckwerte der Bilanz
Die angegebenen Zahlen sind der Einfachheit halber stark gerundet. Uns soll’s hier mal auf ’ne halbe Million oder so nicht ankommen.
– Jahresergebnis der „Ergebnisrechnung“ (Saldo aus Ertrag/Aufwand) = – 46, 45 Mio.
– Jahresergebnis der „Finanzrechnung“ (Saldo aus Einzahlungen / Auszahlungen) = -56,3 Mio.
– Eigenkapital = 625, 96 Mio.
Hey, das klingt gut, ist aber erst mal nicht wirklich aussagekräftig. Man muss es in Beziehung setzten, z.B. zum Fremdkapital oder wie hier zum Gesamtkapital: Da ergibt sich eine Eigenkapitalquote von 35,7%.
Definiert ist das Eigenkapital als Reinvermögen = Saldo zwischen der Aktivseite (Anlage und Umlaufvermögen) und den Verbindlichkeiten samt Rückstellungen.
Das Eigenkapital wird reduziert / erhöht durch Jahresfehlbeträge / -überschüsse in der Ergebnisrechnung, also der kommunalen Gewinn- und Verlustrechnung. 2013 belief sich der Fehlbetrag auf 46 Mio. Also mal ganz grob gesehen: In dieser Größenordnung fehlen also jährlich Gelder, um die Aufgaben der Stadt mit mehr oder weniger „eigenen“ Mitteln zu bewältigen.
2013 wurde es zudem reduziert durch „diverse Eröffnungsbilanzkorrekturen“ i.H.v. 79 Mio. Bei Umstellung auf das neue System der „Doppik“ musste ja 2009 (oder schon 2006?) erstmals eine Bilanz erstellt werden. Da kam es anscheinend hier und da zu Fehlbewertungen oder man hat eine Straße und ein paar Bäume vergessen zu bewerten – oder man hat sie höher bewertet als es zulässig oder sinnvoll war.
– Bilanzsumme = 2398 Mio.
Hey, das klingt ja noch besser. Milliarden wie bei Dagobert Duck. Aber das bedeutet auch erst mal nichts, solange man es nicht in Beziehung setzt und auch bedenkt, dass einem kein Mensch die in dieser Summe enthaltenen Vermögenswerte abkaufen wird (niemand kauft z.B. die Rheingönheimer Hauptstraße, abgesehen davon, dass die gar nicht verkauft werden darf – und zwar zurecht).
– Anlagevermögen = 2310 Mio.
Das ist der Löwenanteil der Aktivsseite der Bilanz und somit Teil der Bilanzsumme. Das sind die oben angesprochenen Dinge, die der Stadt gehören und hier längere Zeit rum stehen und uns allen Nutzen bringen sollen. Neudeutsch sind das unsere „assets“. Also auch Bäume, Plätze, Häuser, Straßen und Brücken und so. Wer die bewertet und auf welcher Grundlage ist vermutlich eine verwaltungswissenschaftliche äh Wissenschaft für sich und wird hier nicht näher ausgeführt. Wie man dem Jahresabschluss entnehmen kann, stellen Gebäude und Infrastruktur ca. 67% des Anlagevermögens dar.
– Investitionen = 69 Mio.
Die Kohle wird ausgegeben, damit das Anlagevermögen nicht auseinanderfällt oder damit neues entstehen kann oder auch um neue Einnahmequellen schaffen zu können.
Konkrete Beispiele waren 2013 etwa Investitionszuschüsse für nicht-städtische Kindergärten oder den ÖPNV, Investitionen in Gebäude (z.B. Kindertagesstätten Brückweg und Bayreutherstraße), eine Einzahlung in die Kapitalrücklage der TWL AG, der Erwerb von Aktien der Pfalzwerke AG und Bauten an der Erich-Kästner-Schule.
–Abschreibungen = 46 Mio.
Sowas gab‘ es früher nicht bei den Kommunen, nach Einführung der o.g. „Doppik“ aber schon. Das ist die (erst mal rein buchhalterische) Darstellung des Werteverzehrs des Anlagevermögens. Das kennt prinzipiell jeder: Du kaufst ein Auto, fährst 5 Kilometer und wenn Du es dann verkaufen willst, gibt es nur noch die Hälfte zurück. Warum? Es wurde eben abgenutzt, ist nicht mehr neu, da fehlt was, Reparaturen werden wahrscheinlicher, ein Teil der prognostizierten Lebensdauer ist halt schon verstrichen.
In erwerbsorientierten Unternehmen der irgendwie freien Wirtschaft kann man allerlei tolle Sachen mit den Abschreibungen anfangen, in einer Kommune eher etwas weniger. Die Information zu haben, ist aber für sich genommen nicht schlecht. Dazu aber irgendwann mal mehr.
–Verbindlichkeiten = 1157 Mio.
Aha, schon wieder Milliarden. Diesmal aber Geld, das jemand anderem gehört und sich die Stadt für eine gewisse Zeit geliehen hat. Kommt vor, macht gar nichts, ist in manchen Fällen sogar gut, in manchen aber eben auch nicht. Vor allem dann nicht, wenn’s zu viel wird. Dann kommen Geldgeber nämlich auf die Idee, dass die gebündelte Marie ggf. nicht wiederkehrt, verlangen höhere Zinsen oder wollen gar keine Kredite mehr geben. Was schlecht ist, wenn man dann gerade welche benötigt. Bei wem die Kredite genommen werden und zu welchen Konditionen sind interessante Fragen, helfen an dieser Stelle aber noch nicht weiter.
Eine wichtige Unterscheidung bei den Verbindlichkeiten ist die zwischen „investiven“ und „liquiditätssichernden“ Verbindlichkeiten. Also Kredite, die bei Investitionen Verwendung finden und solche, die aufgenommen werfen, um bestehenden Zahlungsverplichtungen nachkommen zu können. Letztere sind natürlich ärgerlich, da die Kohle nur so durchläuft, Zins- und Tilgungsbelastungen zurücklässt und eben nicht in die Zukunft investiert wird.
Die investiven Verbindlichkeiten belaufen sich 2013 auf 388 Mio.
Die Liquiditätsverbindlichkeiten belaufen sich auf satte 719,1 Mio.
Der Vollständigkeit halber noch einige weitere Positionen der Passivseite, das ist die Seite der Bilanz, die die „Mittelherkunft“ darstellen soll. Wie viel „eigenes Geld“ habe ich im Unternehmen, wie viel habe ich mir geliehen. Die Verbindlichkeiten und das Eigenkapital haben wir schon weiter oben gesehen. Hier kommen noch zwei, die dem Eigenkapital zugerechnet werden können:
– Sonderposten = 230 Mio.
Sonderposten sind v.a. von Dritten gezahlte Zuwendungen, deren Verwendung festgelegt ist (z.B. Investitionszuweisungen vom Land an die Kommune). An der Stelle kommen auch wieder einmal die mit einem Investitionsobjekt verbundenen Abschriebungen zum Einsatz.
– Rückstellungen = 384 Mio.
Rückstellungen bildet man, wenn man halbwegs sicher zu wissen glaubt, dass bestimmte Ausgaben in der Zukunft anstehen, auf die man sich eben vorbereiten sollte. Rückstellungen werden u.a. gebildet für Pensionen und Beihilfen oder Rückzahlungen von Zuschüssen an das Land.
Die Ergebnisrechnung
Wie viel Geld kam rein und wofür ging’s drauf und: Bleibt gar was übrig? Das sind ungefähr die Leitfragen, die man sich hier grob stellen kann. Was kommt denn so rein in Ludwigshafen?, einer Stadt, die, wie man hört, mehr als viele andere Städte von der Gewerbesteuer abhängig ist und weniger etwa vom Anteil der Einkommenssteuer und anderen aufwendig nach komplizierten Schlüsseln verteilten Steuern.
Erträge die da sind bzw. in 2013 waren:
– Steuern und ähnliche Abgaben = 285 Mio.
– Zuwendungen, allgemeine Umlagen und sonstige Transfererträge = 45 Mio.
– Erträge der sozialen Sicherung = 74 Mio.
– öffentlich-rechtliche Leistungsentgelte = 14 Mio.
– privatrechtliche Leistungsentgelte = 10 Mio.
– Kostenerstattungen und Kostenumlagen = 16 Mio.
– Aktivierte Eigenleistungen = 2 Mio.
– sonstige laufende Ertäge = 25 Mio.
–> Summe Erträge = 471 Mio.
Dagegen stehen die Aufwendungen:
– Personalaufwendungen = 126 Mio.
– Versorgungsaufwendungen = 17 Mio.
– Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen = 83 Mio.
– Abschreibungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 14 GemHVO = 45 Mio.
– Abschreibungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 15 GemHVO =
– Zuwendungen, Umlagen und sonstige Transferleistungen = 51 Mio.
– Aufwendungen der sozialen Sicherung = 167 Mio.
– sonstige laufende Aufwendungen = 21 Mio.
–> Summe Aufwendungen = 510 Mio.
Das Saldo von Erträgen und Aufwendungen ergibt das „laufende Ergebnis aus Verwaltungstätigkeit“ = – 39 Mio.
Gesondert betrachtet werden die Zinserträge und Zinsaufwendungen:
– Zinserträge u. sonst. Finanzerträge
– Zinsaufwendungen und sonst. Finanzaufwendungen
Die Differenz ergibt das „Finanzergebnis“ = -42 Mio.
Finanzergebnis und laufendes Ergebnis ergeben das „ordentliche Ergebnis„, hier = – 81 Mio. Und wenn es kein außerordentliches Ergebnis gibt, dann ist das auch gleich das Jahresergebnis. Ein Jahresfehlbetrag oder ein Jahresüberschuss – in unserem Fall leider ein Fehlbetrag.
So weit so gut. Schauen wir uns die zwei größten Ertrags- und Aufwandsposten genauer an:
Steuern und ähnliche Abgaben
– Gewerbesteuer = 168,5 Mio
– Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer = 55 Mio.
– Zuweisung vom Land für den Kommunalen Entschuldungsfonds = 21 Mio.
Erträge und Aufwendungen der sozialen Sicherung
Die Erträge der sozialen Sicherung stehen den Aufwendungen der sozialen Sicherung gegenüber. Letztere werden gern, teils vermutlich irgendwie auch zurecht, als treibende Größe für die desolate Finanzlage der Stadt genannt. Dem sei wie es sei, die Erträge der sozialen Sicherung sind mit 73,6 Mio. größtenteils Kostenbeteiligungen des Landes und von Sozialleistungsträgern für die Aufwendungen der sozialen Sicherung i. H. v. 168 Mio.
Zu den Sozialausgaben der Kommunen zählen im Wesentlichen:
– Leistungen nach dem SGB II (vor allem Kosten für Unterkunft und Heizung)
– Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII
– Leistungen für Kriegsopfer
– Jugendhilfe
– Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
In Ludwigshafen sah das dann im Jahr 2013 ungefähr so aus:
– Kosten der Unterkunft und Heizung = 40 Mio.
– Grundsicherung bei Alter, Erwerbsminderung, Behinderung und Pflege = 14 Mio.
– Eingliederungshilfe für behinderte Menschen = 38 Mio.
– Zuschüsse an Kindertagesstätten = 23 Mio.
– Hilfen zur Erziehung = 20 Mio.
Gerade Aufwendungen in Zusammenhang mit dem SGB II müssen natürlich mit den Fallzahlen und deren Entwicklung gesehen werden. Wie viele Menschen sind in einer Stadt auf Hilfe angewiesen?, nimmt die Zahl zu? usw.
Passende Links von Interesse habe ich hier und hier gefunden. Eine Interpretation oder schlaue Kommentare habe ich aber im Moment nicht parat.
Personalaufwendungen
Zu den Personalaufwendungen einer Verwaltung zählen v.a. Beamtenbezüge, Angestelltenvergütungen, Arbeiterlöhne und die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Ferner sind auch Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen für Beamte zu den Personalaufwendungen zu rechnen. Tariferhöhungen und Stellenzahländerungen haben natürlich auch einen Einfluss auf die Größe.
So. Die Entwicklung des Jahresfehlbetrages sei laut Kämmerer in einem positiven Trend – die Fehlbeträge gehen zurück. Natürlich zu langsam, aber was will man auf die Schnelle machen. Die Gewerbesteuereinnahmen waren in 2013 auf „hohem Niveau“ – was sich auch wieder ändern kann aufgrund globaler Sachzwangzusammenhänge. Ein Risikoaspekt, den man in jedem im Ausblick findet. Wobei wir bei den Chancen und den eben angesprochenen Risiken sind. Für Ludwigshafen können laut Stadtkämmerei folgende Effekte zur Geltung kommen – oder auch nicht:
Positive Effekte für künftige Jahresabschlüsse:
– Weitere Einsparungen durch begonnene Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen
– Entlastungen durch die Teilnahme am kommunalen Entschuldungsfonds (rd. 20,7 Mio. € jährlich bis 2026)
– Musterklageverfahren bzgl. des Kommunalen Finanzausgleichs in RLP (evtl. bessere Unterstützung)
– Übernahme eines Kostenanteils der Grundsicherung durch den Bund (ab 2014 rd. 14 Mio. €, in 2013 wurden 9,2 Mio. € vereinnahmt)
Mögliche negative Effekte:
– niedrigere Steuereinnahmen aufgrund schwächer werdender Konjunktur
– weitere Verschärfung der Staatsschuldenkrise
– erwarteter Zinsanstieg
– Übertragung neuer Aufgaben durch Bund oder Land ohne
– entsprechende finanzielle Ausstattung (wie z.B. aktuelbei der Asylbewerberaufnahme)
– Rechtsansprüche Kindertagesstättenplätze
– Finanzierung der Hochstraße Nord
– Finanzierung von außergewöhnlichen Investitionen im ÖPNV durch die Stadt Ludwigshafen
– Schwierigere Kommunalkreditfinanzierung durch Basel II
– Musterklageverfahren bezüglich des Kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland Pfalz als Risiko, da die Interessen der einzelnen Kommunen unterschiedlich sind
– Steigende Pensionslasten
Man muss nicht in der Zeit zurück reisen und sein Abitur nachmachen, um zu sehen, dass die Risiken überwiegen. Das ist halt so im Leben – fast überall.
Es gäbe auch allerlei Vernünftiges und Wissenswertes zu sagen und manche Erläuterung zu den o.g. Punkten zu machen. Aber ich schließe hier. Ich hoffe, die holprige Einführung in die Haushalts- und Finanzthematik war nicht völlig für die Katze und der ein oder andere Mensch hilft uns beim Mit- und Nachdenken und vielleicht sogar mal beim sinnvollen Handeln.
Ich sehe zu, dass diese Thematik hier immer mal wieder kommt. Vielleicht sogar – wie ich mir vorgenommen habe – Berichte aus Städten, bei denen die Lichter schon aus sind. Nur um mal zu zeigen, dass das Leben weiter geht.
Das wird aber vermutlich etwas dauern. Es stehen nämlich an: Ortsbeirat Südliche Innenstadt. Dort wird man als erstes von den Auswirkungen des Hochstraßenabrisses auf die Verkehrsführung etc. etwas hören. Am kommenden Montag ist Bau- und Grundstücksausschuss – mit dem Aufreger des Frühjahrs, dem geplanten Gewerbegebiet in Frankenthal. Na, und die Anträge in Open Antrag wollen auch mal weitergebracht werden. Oder abgelehnt. Sorry aber ich glaube, das mit der Umbenennung des Bahnhofs wird wohl vorerst nichts. Schau’n wir mal.
Im November und Dezember ging es in Stadtrat, Ausschüssen und den Ortsbeiräten um den Haushaltsplan für die Jahre 2015 / 16. Also eine Planung der Aufwendungen und Auszahlungen für die nahe Zukunft. Wie in manchen Unternehmen gibt es aber für Städte auch eine rückblickende Zeitpunktbetrachtung, also eine Art Bestandsaufnahme des Vermögens, seiner Veränderungen zum Vorjahr und einen Überblick über die Erträge und Aufwendungen ähnlich einer Gewinn- und Verlustrechnung sowie einer Art Kapitalflussrechnung („Gesamtfinanzrechnung“). Das ist spätestens seit der Einführung der sog. Doppik so. Ob das sinnvoll war und inwieweit – da gehen die Meinungen auseinander. Das muss uns jetzt aber nicht beschäftigen.
Das Leben wird nicht schlagartig schöner, wenn man sich mit der Thematik befasst, aber um ein adäquates Bild unserer Heimatstadt zu bekommen, sollte man das ruhig mal angehen. Zum Abspeichern unter C:/Eigene Dateien/irgendwannmalerledigen findet man den Jahresabschluss hier:
http://www.ludwigshafen.de/buergernah/rathaus/haushalt/jahresabschluss-2013/
Es folgt eine kleine „Tour d’Horizon“ durch das Werk, angelehnt an den Vortrag des Kämmerers und ausgeschmückt mit diversen Verweisen:
Eckwerte der Bilanz
Die angegebenen Zahlen sind der Einfachheit halber stark gerundet. Uns soll’s hier mal auf ’ne halbe Million oder so nicht ankommen.
– Jahresergebnis der „Ergebnisrechnung“ (Saldo aus Ertrag/Aufwand) = – 46, 45 Mio.
– Jahresergebnis der „Finanzrechnung“ (Saldo aus Einzahlungen / Auszahlungen) = -56,3 Mio.
– Eigenkapital = 625, 96 Mio.
Hey, das klingt gut, ist aber erst mal nicht wirklich aussagekräftig. Man muss es in Beziehung setzten, z.B. zum Fremdkapital oder wie hier zum Gesamtkapital: Da ergibt sich eine Eigenkapitalquote von 35,7%.
Definiert ist das Eigenkapital als Reinvermögen = Saldo zwischen der Aktivseite (Anlage und Umlaufvermögen) und den Verbindlichkeiten samt Rückstellungen.
Das Eigenkapital wird reduziert / erhöht durch Jahresfehlbeträge / -überschüsse in der Ergebnisrechnung, also der kommunalen Gewinn- und Verlustrechnung. 2013 belief sich der Fehlbetrag auf 46 Mio. Also mal ganz grob gesehen: In dieser Größenordnung fehlen also jährlich Gelder, um die Aufgaben der Stadt mit mehr oder weniger „eigenen“ Mitteln zu bewältigen.
2013 wurde es zudem reduziert durch „diverse Eröffnungsbilanzkorrekturen“ i.H.v. 79 Mio. Bei Umstellung auf das neue System der „Doppik“ musste ja 2009 (oder schon 2006?) erstmals eine Bilanz erstellt werden. Da kam es anscheinend hier und da zu Fehlbewertungen oder man hat eine Straße und ein paar Bäume vergessen zu bewerten – oder man hat sie höher bewertet als es zulässig oder sinnvoll war.
– Bilanzsumme = 2398 Mio.
Hey, das klingt ja noch besser. Milliarden wie bei Dagobert Duck. Aber das bedeutet auch erst mal nichts, solange man es nicht in Beziehung setzt und auch bedenkt, dass einem kein Mensch die in dieser Summe enthaltenen Vermögenswerte abkaufen wird (niemand kauft z.B. die Rheingönheimer Hauptstraße, abgesehen davon, dass die gar nicht verkauft werden darf – und zwar zurecht).
– Anlagevermögen = 2310 Mio.
Das ist der Löwenanteil der Aktivsseite der Bilanz und somit Teil der Bilanzsumme. Das sind die oben angesprochenen Dinge, die der Stadt gehören und hier längere Zeit rum stehen und uns allen Nutzen bringen sollen. Neudeutsch sind das unsere „assets“. Also auch Bäume, Plätze, Häuser, Straßen und Brücken und so. Wer die bewertet und auf welcher Grundlage ist vermutlich eine verwaltungswissenschaftliche äh Wissenschaft für sich und wird hier nicht näher ausgeführt. Wie man dem Jahresabschluss entnehmen kann, stellen Gebäude und Infrastruktur ca. 67% des Anlagevermögens dar.
– Investitionen = 69 Mio.
Die Kohle wird ausgegeben, damit das Anlagevermögen nicht auseinanderfällt oder damit neues entstehen kann oder auch um neue Einnahmequellen schaffen zu können.
Konkrete Beispiele waren 2013 etwa Investitionszuschüsse für nicht-städtische Kindergärten oder den ÖPNV, Investitionen in Gebäude (z.B. Kindertagesstätten Brückweg und Bayreutherstraße), eine Einzahlung in die Kapitalrücklage der TWL AG, der Erwerb von Aktien der Pfalzwerke AG und Bauten an der Erich-Kästner-Schule.
–Abschreibungen = 46 Mio.
Sowas gab‘ es früher nicht bei den Kommunen, nach Einführung der o.g. „Doppik“ aber schon. Das ist die (erst mal rein buchhalterische) Darstellung des Werteverzehrs des Anlagevermögens. Das kennt prinzipiell jeder: Du kaufst ein Auto, fährst 5 Kilometer und wenn Du es dann verkaufen willst, gibt es nur noch die Hälfte zurück. Warum? Es wurde eben abgenutzt, ist nicht mehr neu, da fehlt was, Reparaturen werden wahrscheinlicher, ein Teil der prognostizierten Lebensdauer ist halt schon verstrichen.
In erwerbsorientierten Unternehmen der irgendwie freien Wirtschaft kann man allerlei tolle Sachen mit den Abschreibungen anfangen, in einer Kommune eher etwas weniger. Die Information zu haben, ist aber für sich genommen nicht schlecht. Dazu aber irgendwann mal mehr.
–Verbindlichkeiten = 1157 Mio.
Aha, schon wieder Milliarden. Diesmal aber Geld, das jemand anderem gehört und sich die Stadt für eine gewisse Zeit geliehen hat. Kommt vor, macht gar nichts, ist in manchen Fällen sogar gut, in manchen aber eben auch nicht. Vor allem dann nicht, wenn’s zu viel wird. Dann kommen Geldgeber nämlich auf die Idee, dass die gebündelte Marie ggf. nicht wiederkehrt, verlangen höhere Zinsen oder wollen gar keine Kredite mehr geben. Was schlecht ist, wenn man dann gerade welche benötigt. Bei wem die Kredite genommen werden und zu welchen Konditionen sind interessante Fragen, helfen an dieser Stelle aber noch nicht weiter.
Eine wichtige Unterscheidung bei den Verbindlichkeiten ist die zwischen „investiven“ und „liquiditätssichernden“ Verbindlichkeiten. Also Kredite, die bei Investitionen Verwendung finden und solche, die aufgenommen werfen, um bestehenden Zahlungsverplichtungen nachkommen zu können. Letztere sind natürlich ärgerlich, da die Kohle nur so durchläuft, Zins- und Tilgungsbelastungen zurücklässt und eben nicht in die Zukunft investiert wird.
Die investiven Verbindlichkeiten belaufen sich 2013 auf 388 Mio.
Die Liquiditätsverbindlichkeiten belaufen sich auf satte 719,1 Mio.
Der Vollständigkeit halber noch einige weitere Positionen der Passivseite, das ist die Seite der Bilanz, die die „Mittelherkunft“ darstellen soll. Wie viel „eigenes Geld“ habe ich im Unternehmen, wie viel habe ich mir geliehen. Die Verbindlichkeiten und das Eigenkapital haben wir schon weiter oben gesehen. Hier kommen noch zwei, die dem Eigenkapital zugerechnet werden können:
– Sonderposten = 230 Mio.
Sonderposten sind v.a. von Dritten gezahlte Zuwendungen, deren Verwendung festgelegt ist (z.B. Investitionszuweisungen vom Land an die Kommune). An der Stelle kommen auch wieder einmal die mit einem Investitionsobjekt verbundenen Abschriebungen zum Einsatz.
– Rückstellungen = 384 Mio.
Rückstellungen bildet man, wenn man halbwegs sicher zu wissen glaubt, dass bestimmte Ausgaben in der Zukunft anstehen, auf die man sich eben vorbereiten sollte. Rückstellungen werden u.a. gebildet für Pensionen und Beihilfen oder Rückzahlungen von Zuschüssen an das Land.
Die Ergebnisrechnung
Wie viel Geld kam rein und wofür ging’s drauf und: Bleibt gar was übrig? Das sind ungefähr die Leitfragen, die man sich hier grob stellen kann. Was kommt denn so rein in Ludwigshafen?, einer Stadt, die, wie man hört, mehr als viele andere Städte von der Gewerbesteuer abhängig ist und weniger etwa vom Anteil der Einkommenssteuer und anderen aufwendig nach komplizierten Schlüsseln verteilten Steuern.
Erträge die da sind bzw. in 2013 waren:
– Steuern und ähnliche Abgaben = 285 Mio.
– Zuwendungen, allgemeine Umlagen und sonstige Transfererträge = 45 Mio.
– Erträge der sozialen Sicherung = 74 Mio.
– öffentlich-rechtliche Leistungsentgelte = 14 Mio.
– privatrechtliche Leistungsentgelte = 10 Mio.
– Kostenerstattungen und Kostenumlagen = 16 Mio.
– Aktivierte Eigenleistungen = 2 Mio.
– sonstige laufende Ertäge = 25 Mio.
–> Summe Erträge = 471 Mio.
Dagegen stehen die Aufwendungen:
– Personalaufwendungen = 126 Mio.
– Versorgungsaufwendungen = 17 Mio.
– Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen = 83 Mio.
– Abschreibungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 14 GemHVO = 45 Mio.
– Abschreibungen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 15 GemHVO =
– Zuwendungen, Umlagen und sonstige Transferleistungen = 51 Mio.
– Aufwendungen der sozialen Sicherung = 167 Mio.
– sonstige laufende Aufwendungen = 21 Mio.
–> Summe Aufwendungen = 510 Mio.
Das Saldo von Erträgen und Aufwendungen ergibt das „laufende Ergebnis aus Verwaltungstätigkeit“ = – 39 Mio.
Gesondert betrachtet werden die Zinserträge und Zinsaufwendungen:
– Zinserträge u. sonst. Finanzerträge
– Zinsaufwendungen und sonst. Finanzaufwendungen
Die Differenz ergibt das „Finanzergebnis“ = -42 Mio.
Finanzergebnis und laufendes Ergebnis ergeben das „ordentliche Ergebnis„, hier = – 81 Mio. Und wenn es kein außerordentliches Ergebnis gibt, dann ist das auch gleich das Jahresergebnis. Ein Jahresfehlbetrag oder ein Jahresüberschuss – in unserem Fall leider ein Fehlbetrag.
So weit so gut. Schauen wir uns die zwei größten Ertrags- und Aufwandsposten genauer an:
Steuern und ähnliche Abgaben
– Gewerbesteuer = 168,5 Mio
– Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer = 55 Mio.
– Zuweisung vom Land für den Kommunalen Entschuldungsfonds = 21 Mio.
Erträge und Aufwendungen der sozialen Sicherung
Die Erträge der sozialen Sicherung stehen den Aufwendungen der sozialen Sicherung gegenüber. Letztere werden gern, teils vermutlich irgendwie auch zurecht, als treibende Größe für die desolate Finanzlage der Stadt genannt. Dem sei wie es sei, die Erträge der sozialen Sicherung sind mit 73,6 Mio. größtenteils Kostenbeteiligungen des Landes und von Sozialleistungsträgern für die Aufwendungen der sozialen Sicherung i. H. v. 168 Mio.
Zu den Sozialausgaben der Kommunen zählen im Wesentlichen:
– Leistungen nach dem SGB II (vor allem Kosten für Unterkunft und Heizung)
– Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII
– Leistungen für Kriegsopfer
– Jugendhilfe
– Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
In Ludwigshafen sah das dann im Jahr 2013 ungefähr so aus:
– Kosten der Unterkunft und Heizung = 40 Mio.
– Grundsicherung bei Alter, Erwerbsminderung, Behinderung und Pflege = 14 Mio.
– Eingliederungshilfe für behinderte Menschen = 38 Mio.
– Zuschüsse an Kindertagesstätten = 23 Mio.
– Hilfen zur Erziehung = 20 Mio.
Gerade Aufwendungen in Zusammenhang mit dem SGB II müssen natürlich mit den Fallzahlen und deren Entwicklung gesehen werden. Wie viele Menschen sind in einer Stadt auf Hilfe angewiesen?, nimmt die Zahl zu? usw.
Passende Links von Interesse habe ich hier und hier gefunden. Eine Interpretation oder schlaue Kommentare habe ich aber im Moment nicht parat.
Personalaufwendungen
Zu den Personalaufwendungen einer Verwaltung zählen v.a. Beamtenbezüge, Angestelltenvergütungen, Arbeiterlöhne und die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Ferner sind auch Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen für Beamte zu den Personalaufwendungen zu rechnen. Tariferhöhungen und Stellenzahländerungen haben natürlich auch einen Einfluss auf die Größe.
So. Die Entwicklung des Jahresfehlbetrages sei laut Kämmerer in einem positiven Trend – die Fehlbeträge gehen zurück. Natürlich zu langsam, aber was will man auf die Schnelle machen. Die Gewerbesteuereinnahmen waren in 2013 auf „hohem Niveau“ – was sich auch wieder ändern kann aufgrund globaler Sachzwangzusammenhänge. Ein Risikoaspekt, den man in jedem im Ausblick findet. Wobei wir bei den Chancen und den eben angesprochenen Risiken sind. Für Ludwigshafen können laut Stadtkämmerei folgende Effekte zur Geltung kommen – oder auch nicht:
Positive Effekte für künftige Jahresabschlüsse:
– Weitere Einsparungen durch begonnene Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen
– Entlastungen durch die Teilnahme am kommunalen Entschuldungsfonds (rd. 20,7 Mio. € jährlich bis 2026)
– Musterklageverfahren bzgl. des Kommunalen Finanzausgleichs in RLP (evtl. bessere Unterstützung)
– Übernahme eines Kostenanteils der Grundsicherung durch den Bund (ab 2014 rd. 14 Mio. €, in 2013 wurden 9,2 Mio. € vereinnahmt)
Mögliche negative Effekte:
– niedrigere Steuereinnahmen aufgrund schwächer werdender Konjunktur
– weitere Verschärfung der Staatsschuldenkrise
– erwarteter Zinsanstieg
– Übertragung neuer Aufgaben durch Bund oder Land ohne
– entsprechende finanzielle Ausstattung (wie z.B. aktuelbei der Asylbewerberaufnahme)
– Rechtsansprüche Kindertagesstättenplätze
– Finanzierung der Hochstraße Nord
– Finanzierung von außergewöhnlichen Investitionen im ÖPNV durch die Stadt Ludwigshafen
– Schwierigere Kommunalkreditfinanzierung durch Basel II
– Musterklageverfahren bezüglich des Kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland Pfalz als Risiko, da die Interessen der einzelnen Kommunen unterschiedlich sind
– Steigende Pensionslasten
Man muss nicht in der Zeit zurück reisen und sein Abitur nachmachen, um zu sehen, dass die Risiken überwiegen. Das ist halt so im Leben – fast überall.
Es gäbe auch allerlei Vernünftiges und Wissenswertes zu sagen und manche Erläuterung zu den o.g. Punkten zu machen. Aber ich schließe hier. Ich hoffe, die holprige Einführung in die Haushalts- und Finanzthematik war nicht völlig für die Katze und der ein oder andere Mensch hilft uns beim Mit- und Nachdenken und vielleicht sogar mal beim sinnvollen Handeln.
Ich sehe zu, dass diese Thematik hier immer mal wieder kommt. Vielleicht sogar – wie ich mir vorgenommen habe – Berichte aus Städten, bei denen die Lichter schon aus sind. Nur um mal zu zeigen, dass das Leben weiter geht.
Das wird aber vermutlich etwas dauern. Es stehen nämlich an: Ortsbeirat Südliche Innenstadt. Dort wird man als erstes von den Auswirkungen des Hochstraßenabrisses auf die Verkehrsführung etc. etwas hören. Am kommenden Montag ist Bau- und Grundstücksausschuss – mit dem Aufreger des Frühjahrs, dem geplanten Gewerbegebiet in Frankenthal. Na, und die Anträge in Open Antrag wollen auch mal weitergebracht werden. Oder abgelehnt. Sorry aber ich glaube, das mit der Umbenennung des Bahnhofs wird wohl vorerst nichts. Schau’n wir mal.